Antifaschismus und Hilfe für Geflüchtete sind gemeinnützig!

18. Dezember 2020

Am 16. Dezember sollte im Bundestag eine Reform der Abgabenordnung verabschiedet werden, die festlegt, wem der Status der Gemeinnützigkeit zuerkannt wird und wem nicht. Mittlwerweile war auch klar, dass die Bundesregierung nicht daran denkt, die wesentlichen Änderungen aufzunehmen, die von einer breiten Allianz der Zivilgesellschaft gefordert werden. Deshalb hatte die Bezirksgruppe Neukölln der VVN VdA die Initiative zu einer Protestkundgebung am Mittwochnachmittag auf den Reichstagswiesen ergriffen, die dann vom gesamten Berliner Verband getragen wurde. Der Protest fand auch die Unterstützung der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE. Die Kundgebung selbst wurde zu einer gemeinsamen Aktion, an der sich außer der Berliner VVN die Gruppen Fantifa Berlin, Break Isolation Grop /International Women* Space, Migrantifa Berlin und No Border Assembly beteiligten. So kamen insgesamt etwa 120 Menschen zusammen. Alle Reder*innen brachten zum Ausdruck, dass diese „Reform“ keine wirkliche ist.

Die VVN hob in ihrem Kundgebungsbeitrag, der auch als Presserklärung erschien, hervor:

„Unter dem unscheinbaren Titel „Jahressteuergesetz 2020“ wird heute im Bundestag über ein neues Gemeinnützigkeitsrecht beraten. „Wie bekannt wurde der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) durch die Berliner Finanzbehörde unter Finanzsenator Kollatz die Gemeinnützigkeit entzogen. Zugrunde lagen „Erkenntnisse“ des bayrischen Verfassungsschutzes, dass die VVN-BdA „linksextremistisch beeinflusst“ sei. Es verwundert, dass sich ein Senator der SPD ausgerechnet auf Erkenntnisse aus dem seit bald 65 Jahren von der CSU beherrschten Bayern stützt.

Zur Erinnerung: Das bayrische Landesamt für VS war von Beginn an mit hohen SS- und Gestapo-Leuten besetzt, durchgängig stramme Antisemiten und Antikommunisten (s. dazu wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Bayerisches_Landesamt_f%C3%BCr_Verfassungs-schutz).  Der bayrische VS unterstand u.a. einem Innenminister Alfred Seidl, der in seiner Promotion bereits das „nationalsozialistische Willensstrafrecht“ verherrlichte. Oberster Herr in Bayern war lange Zeit ein Franz J. Strauß, im NS-Regime „Offizier für wehrgeistige Führung“, danach Anführer der „Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes“ und begeistert von der faschistischen Diktatur Pinochets in Chile. Dass dieser alte Geist sich bis in unsere Tage gehalten hat, zeigen vor allem die Vorgänge um die Aufdeckung der Terroranschläge des sog. NSU. Schließlich hatte die Bande in Nürnberg den ersten Bombenanschlag verübt und fünf der neun bekannten Morde wurde in Bayern begangen. Unter Anleitung des bayrischen VS wurde aber nicht im Naziumfeld, sondern vor allem im Umfeld der Oper ermittelt. Familienmitglieder der Opfer mussten sich rechtfertigen, dass sie nicht im Drogenmilieu agieren oder „Islamisten“ seien.

Dem Urteil einer solchen Behörde vertraut sich der SPD-Finanzsenator an – wir nennen das einen Skandal. Denn SozialdemokratInnenen kämpften gemeinsam mit KommunistInnen, Parteilosen und ChristInnen im Widerstand gegen das NS-Regime, saßen gemeinsam in den KZ und Zuchthäusern. Ihnen ist es zu verdanken, dass Deutsche bei unseren Nachbarn nicht von vorneherein mit den  Nazis gleichgesetzt wurden und dass Deutschland im Strafgericht der Völker nach dem barbarischen Krieg und der begangenen Verbrechen relativ milde davonkam. Ihnen war es zu verdanken, dass ins Grundgesetz ein antifaschistischer Auftrag (Art. 139) geschrieben wurde.

In diesem Geist hat die VVN seit ihrer Gründung 1947 gewirkt. Heute wo die Nazis wieder aufstehen und sich bei Polizei, Bundeswehr, in Behörden, im Internet und den Medien einnisten und vernetzen, sich bewaffnen und Terroranschläge begehen, soll der VVN als der ältesten und größten antifaschistischen Organisation in Deutschland die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Die hochgeehrte Esther Bejarano, Auschwitz-Häftling, Ehrenvorsitzende der VVN hat es in ihrem Offenen Brief an Olaf Scholz (vom 19. November 2019) auf den Punkt gebracht: „Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!“

Der Gesetzentwurf, der heute beraten wird, stellt in der vorliegenden Fassung keine Verbesserung für die VVN dar. Er belässt den so massiv diskreditierten VS weiterhin zur obersten Instanz für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit.  Damit sind die Organisationen weiterhin gezwungen zu beweisen, dass sie VS-kompatibel sind. Dabei operiert der VS mit einem wissenschaftlich unhaltbaren Extremismus-Begriff, der an die sog. Hufeisen-Theorie („Die Extreme berühren sich“) angelehnt ist. Wir halten fest: Die VVN-BdA steht für die Erweiterung der Demokratie, für die Verbesserung ihrer sozialen Grundlagen, nicht wie Nazis aller Couleur für die Abschaffung der Demokratie!“

Im gemeinsamen Redebeitrag der Initiativen zur Unterstützung Geflüchteter wurde u.a. ausgeführt:

„Während in Deutschland die Zahlen der Neuinfektionen in die Höhe schnellen und die Bevölkerung bei ihrem Vorweihnachtseinkauf durch drastische Bewegungs- und Reisebeschränkungen in Schach gehalten wird, werden Menschen, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben in Sammeltransporte verfrachtet und ins Ungewisse zurückgeschoben. Mit diesen Massenabschiebungen zum Auftakt des Coronalockdowns wird ein weiteres Mal gezeigt, welche Menschen von der deutschen Bundesregierung als schützenswert erachtet werden und welche Menschen eben nicht. Mit welchen Personen eine Solidarität nahegelegt wird und mit welchen nicht. Diese Abschiebungen sind der Höhepunkt einer unwürdigen und menschenrechtswidrigen Asylpolitik. Menschen flüchten nach Europa, weil ihre Länder von genau diesem Europa durch konsequente Kolonialpolitik der Lebensraum entzogen wird – durch interessensgesteuerte „Entwicklungspolitik“, durch Land- und Greengrabbing, durch Umweltverschmutzung, durch Kriege, durch Waffenhandel. Das Recht auf Asyl ist das mindeste, das Europa ihnen gewährleisten muss.

Während des ersten Coronalockdowns im Frühling dieses Jahres wurden asylsuchende Menschen in Lagern zusammengepfercht, sodass die Einhaltung der Distanzregelungen schier unmöglich war. Menschenrechtsorganisationen haben dringend eine Umverteilung auf leerstehende Wohnungen und Hotels gefordert. Sind diese Massenabschiebungen die zynische Antwort auf diese Forderung? Soll so tatsächlich der Sicherheitsabstand in den Lagern gewährleistet werden?

(…) Wir schliessen uns mit unseren Forderungen gegen den Abschiebewahn an die Kundgebung der VVN BdA auf der Wiese vor dem Reichstag an.
Auch die Verfolgten des Naziregimes waren darauf angewiesen, ins Ausland aufgenommen zu werden, sofern sie dieses Land noch verlassen konnten, aus diesem Grund wurde nach dem deutschen Faschismus in der Bundesrepublik das Grundrecht auf Asyl in die Verfassung eingetragen. Die Verteidigung gegen Faschismus und die Verteidigung der Verfolgten ist gemeinnützig – heute wie gestern! Abschiebungen abschaffen!
Für eine Welt ohne Grenzen!