„Soldatsein als einziges Abenteuerspiel“

8. Dezember 2020

Kundgebungsbeitrag der Initiative „No war Berlin“

Wir sind heute hier, weil Krieg und Militarisierung den öffentlichen Raum immer mehr in Beschlag nehmen. Busse, Trams und S-Bahnen gondeln in Tarnfarben durch die Städte, auf Werbetafeln vor allem der Wall AG wird uns das Töten und Sterben für die Bundeswehr schmackhaft gemacht. Hintergrund des ganzen ist, dass die Bundeswehr dringend auf der Suche nach neuem Kanonenfutter ist, um die kriegerische Politik von Annegret Kampf Knarrenbauer in die Tat umzusetzen. Um Einflusssphären und wirtschaftliche Interessen Deutschlands weltweit durchzusetzen/ braucht es in den Augen der Herrschenden eine schlagkräftige Bundeswehr, die nicht nur gut ausgerüstet ist, sondern auch aus mehr als den derzeit über 180.000 Soldat*innen besteht.

Seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 ist es für die Bundeswehr nicht mehr so leicht, neues Kanonenfutter zu finden. Auch die Verankerung in der Gesellschaft lässt zu wünschen übrig, nicht erst seit immer neuen Skandalen über die rechtsextremen Umtriebe der Truppe. Deshalb wurde mit castenow eine Werbeagentur beauftragt, genau dies zu ändern. Seit 2015 werden wir deshalb im Rahmen der Kampagne „Mach was wirklich zählt“ mit Bundeswehrwerbung an fast allen öffentlichen Orten belästigt.

Aber nicht nur dort. Auch im Internet ist die Kampagne auf allen großen sogenannten Social-Media-Plattformen präsent. Verantwortlich dafür zeichnet sich Crossmedia, vor deren Berliner Niederlassung wir heute stehen.

Crossmedia zeichnet sich verantwortlich für Web-Serien auf youtube, zu deren bekanntesten „Die Rekruten“ oder „KSK“ zählen. Kurz nach beginn der Corona-Pandemie startete am 9. April eine Webserie unter dem Titel „Einsatz gegen Corona“. Unter anderem dürfen darin der für den Einsatzverantwortliche Nationale Territoriale Befehlshaber Martin Schelleis mit Dienstsitz in der Berliner Julius-Leber-Kaserne Werbung für die Militarisierung des Gesundheitswesen durch den Einsatz von mittlerweile 20.000 Bundeswehrsoldat*innen machen und zeigen, worin der eigentliche Sinn dieses Inlandseinsatzes der Bundeswehr liegt: in Rekrutierung und weiterer Verankerung des Militarismus im Alltag. Aktuell läuft mit „Besatzung Bravo“ seit Mitte November eine neue WebWerbeSerie, mit deren Hilfe zukünftige Fischstäbchen für die Marine angeworben werden sollen.

Dass Crossmedia dabei wie bei allen anderen Serien davor ein verharmlosendes Bild davon zeigt, die grausame Realität von bedingungslosem Gehorsam, Krieg und Besatzung ausblendet und meint, der Kern des Soldat*in-Seins sei ein einziges Abenteuerspiel statt brutales Töten und Sterben, ist die eine Seite der Medallie. Die andere Seite ist, dass Crossmedia im Dienste der Bundeswehr ein Akteur der militärischen Digitalisierung geworden ist.

Crossmedia nutzt Möglichkeiten der Digitalisierung, in diesem Fall die Möglichkeiten der sogenannten Sozialen Medien, um die Bundeswehr als Arbeitgeberin schmackhaft zu machen. Sie spricht vor allem junge Menschen gezielt an, unterstützt von datenbasierten Filterblasen, um gezielt das passende Kanonenfutter zu finden. Militärische Digitalisierung in diesem Fall bedeutet direkte Rekrutierung und Militärpropaganda ohne den Umweg über eine kritische Öffentlichkeit. Dadurch, dass die Werbung im Netz stattfindet, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Adressat*innen nicht mehr innerhalb ihres sozialen Umfelds und gegebenenfalls kritisch mit den präsentierten Inhalten auseinandersetzen müssen. Die Inhalte werden direkt und meist alleine vor einem Bildschirm konsumiert. Sogenannte social-engineering-Techniken wie „gamefication“ und „nudging“ tun ihr übriges dazu, eine unkritische Wahrnehmung der Inhalte zu gewährleisten. Damit hat die Bundeswehr mit Crossmedia einen willigen Vollstrecker für digitalen Militarismus gefunden.Aber das Beispiel des verhinderten Google-Campus eine Brücke weiter hat gezeigt:

Wir können diesen Akteuren Paroli bieten. Wie Google seine Träume eines Campus in Kreuzberg erstmal nicht verwirklichen konnte, werden wir auch Crossmedia immer wieder klarmachen, dass sie weder hier in Kreuzberg, noch in Düsseldorf, Hamburg, Bielefeld, London und New York willkommen sind.

Denn überall gilt: Kein Werben fürs Töten und Sterben!

Crossmedia — verpiss dich!